Sozialer Städtebau

Drei Elemente des von Schumacher initiierten Sozialen Städtebaus in Hamburg werden im Folgenden dargestellt.

Die „Reform der Freiflächen“[8]steht bezeichnenderweise an erster Stelle seiner Reformbestrebungen: Grün- und Freiflächen gehören nach Schumachers Ansicht „zum selbstverständlichen Lebensbedarf[9] der Menschen. Davon gibt es allerdings in der gründerzeitlichen Stadt bei weitem zu wenig. Öffentliche und private Grünflächen wie Spiel- und Sportplätze, grüne Innenhöfe und wohnungsnahe Freiflächen, vorhandene und neu angelegte Parks sowie Kleingärten für Menschen, die im Etagenhaus wohnen sowie diese verbindende Grünzüge sollen zu einem „Grünsystem“[10] zusammenwachsen, welches als das Grüne Netz Hamburg[11] die Stadt  heute be- und entlüftet.

Bei dem Aspekt „Reform der Bauzonung“[12] mögen sich manche noch an die „Höhensonnen“ erinnern, Lampen, unter denen an Rachitis erkrankte Kinder ultravioletter Strahlung ausgesetzt werden oder „Lichtbäder“. Das ist vor allem notwendig für Menschen, die in hoch, mit geringen Abständen bebauten und damit dunklen Stadtquartieren leben müssen. Die Erkenntnis, dass zu geringe Dosen ultravioletten Lichts aus dem Spektrum des Sonnenlichts – das Thema ist heute als Vitamin- D- Mangel wieder aktuell – weniger in den niedrig, sondern eher in den eng und hoch bebauten Quartieren auftritt, nimmt Schumacher – offenbar vor allem in Sorge um die Kleinsten[13] zum Anlass, die Geschossigkeit über fünf Etagen hinaus kritisch zu hinterfragen. Weil die, in Hinsicht auf die Besonnung ideale Siedlungsform des Einfamilienhauses für alle Bevölkerungsgruppen umzusetzen illusorisch sei, bleibt für Schumacher das Etagenhaus unverzichtbar, welches aber zu reformieren sei.

Durch die „Reform des Bauorganismus[14] wird die Streifenbauweise zum Programm in den Stadterweiterungsgebieten und ersetzt die gründerzeitliche Schlitzbauweise. Neben vielfach als Zweispännern organisierten Kleinwohnungen verfügen die Wohnhäuser nun auch über ein natürlich belichtetes Treppenhaus sowie Abstellräumen in Dach und Keller. Die Innenhöfe sind nicht mehr gewerblich oder durch hochverdichteten Wohnungsbau genutzt, sondern als wohnungsnahe Grünflächen gestaltet. Im Ergebnis kann jetzt auch für “Kleine Leute” helles Wohnen mit Grünbezug angeboten werden.

Schumacher und das Fassadenmaterial Backstein gelten in Hamburg quasi als Ursache- Wirkungs- Beziehung. Backstein in seiner Gestaltungsvielfalt als keramischer Baustoff soll nach Auffassung Schumachers dazu beitragen, „Hamburg einen eigenen baulichen Charakter zurückzuerobern“[15]. Mit der Zäsur einer ersten „Backsteinstadt“, als ringförmige Struktur um Hamburgs Altstadt errichtet, setzt Schumacher einen städtebaulichen Neubeginn – das Neue Bauen in Backstein. Diese Neue Stadt bildet einen sichtbaren Kontrast aus vor dem Hintergrund der gründerzeitlichen Stadt mit ihren vielfach baumlosen, dunklen Straßenkorridoren, Taschenparks, eng bebauten Höfen hinter hohen, mit Stilelementen des letzten Jahrtausends wie Sahnetorten verzierten Gebäuden.

 

 

 

[8] vgl. ebd. (Wohnstadt), S. 23 – 25

[9] vgl. ebd. (Wohnstadt), S. 23

[10] vgl. ebd. (Wohnstadt), S. 25

[11] https://hamburg.de/gruenes-netz [Abruf 29.06.2019]

[12] vgl. ebd. (Wohnstadt), S. 26f

[13] vgl. ebd. (Wohnstadt), S. 26

[14] vgl. (Wohnstadt), S. 27f

[15] (Schumacher, Stufen des Lebens, 1949 (1935)), S. 382